Tarife / Tarifverträge

Nach der politischen Wende

Bear­bei­tet von Chris­ti­an Koch

Die Nach­wen­de­si­tua­tion in der ehe­ma­li­gen DDR

Nach der poli­ti­schen Wen­de in der DDR 1990 wur­den nach Maß­ga­be des Eini­gungs­ver­tra­ges die bis dahin gel­ten­den Rah­men­kol­lek­tiv­ver­trä­ge ein­schließ­lich aller ihrer Nach­trä­ge  für den Gel­tungs­be­reich der Staats­gü­ter außer Kraft gesetzt. Die Ent­loh­nung erfolg­te fast aus­schließ­lich im Zeit­lohn auf der Basis der im Man­tel­ta­rif­ver­trag zwi­schen den ent­ste­hen­den Arbeit­ge­ber­ver­bän­den und der Gewerk­schaft Gar­ten­bau, Land- und Forst­wirt­schaft ver­ein­bar­ten wöchent­li­chen Arbeits­zeit von 40 Stun­den inner­halb einer 5‑Ta­ge-Arbeits­wo­che orga­ni­siert. Mit der Unter­stel­lung der Staats­gü­ter unter die Treu­hand­an­stalt zwecks Pri­va­ti­sie­rung ging danach auch die Tarif­ho­heit für die ehe­ma­li­gen VEG auf die­se über und sie wur­de dem Gesamt­ver­band der Deut­schen Land- und Forst­wirt­schaft­li­chen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de über­tra­gen. Die Tarif­part­ner schlos­sen mit Wir­kung vom Sep­tem­ber 1990 für alle Arbei­ter und Ange­stell­ten in den Staats­gü­tern einen Lohn- und Gehalts­ta­rif­ver­trag und einen Man­tel­ta­rif­ver­trag ab. In der Über­gangs­zeit saßen auf Sei­ten der Arbeit­ge­ber auch die Ver­tre­ter des Ver­ban­des der Staats­gü­ter und der Tier-Fleisch-Eier-AG i.A. und der Agro­max AG i.A. am Verhandlungstisch.

Manteltarifvertrag

Quel­le: TV GGLF/Tarifgemeinschaft TFE AG i.A und agro­max AG i.A., S. 1,2 und 18

Über die wei­tere Ent­wick­lung der Tarif­löhne geben die Lohn– und Gehalts­ta­bel­len aus den Jah­ren 1993/94 sowie die Über­sicht nach Bun­des­län­dern Auskunft:

pressemitteilung

GGLF

Quel­le: Pres­se­mit­tei­lun­gen der GGLF vom 07.05.1993

Tabel­le nach Bun­des­län­dern aus dem Jah­re 2000

tarifloehne

Quel­le: „Bei­träge der betriebs– und arbeits­wirt­schaft­li­chen For­schung in Sach­sen zur Ent­wick­lung der Land­wirt­schaft im 20. Jahr­hun­dert, Leip­zi­ger ökono­mi­sche Sozie­tät E.V. (H.G.) Leip­zi­ger Uni­ver­si­täts­ver­lag 2000 S. 246 unter und 247 oben

Sozi­al­ta­rif­ver­trag zur Qualifizierung

Als eine Beson­der­heit im Tarif­ge­sche­hen der 90er Jah­re kann der „Tarif­ver­trag zur Qua­li­fi­zie­rung der Arbeit­neh­mer aus der Land– und Forst­wirt­schaft und über Maß­nah­men zur Erschlie­ßung und Siche­rung wett­be­werbs­fä­hi­ger Voll– oder Teil­zeit­ar­beits­plätze der Land– und Forst­wirt­schaft vom 07.11.1991“ ange­se­hen werden.

Die­ser Tarif­ver­trag wur­de von den Mit­glieds­ver­bän­den des Gesamt­ver­ban­des der Deut­schen Land– und Forst­wirt­schaft­li­chen Arbeit­ge­ber­ver­bände e.V. und der Gewerk­schaft Gar­ten­bau, Land– und Forst­wirt­schaft abge­schlos­sen. In die­sem Tarif­ver­trag ver­pflich­ten sich die Tarif­ver­trags­par­teien einen „Qua­li­fi­zie­rungs­fonds Land– und Forst­wirt­schaft e.V.“ (QLF) als gemein­same Ein­rich­tung zu gründen.

Zweck des Qua­li­fi­zie­rungs­fonds war die Erschlie­ßung und Siche­rung wett­be­werbs­fä­hi­ger Voll– oder Teil­zeit­ar­beits­plätze in der Land– und Forst­wirt­schaft durch Qualifizierung.

Dazu hat­te der Qua­li­fi­zie­rungs­fonds fol­gende Maß­nah­men durchzuführen:

  • Aus‑, Fort– und Wei­ter­bil­dung von Arbeit­neh­mern, die in land– und forst­wirt­schaft­li­chen Betrie­ben erwerbs­tä­tig sind oder waren und als Arbeit­neh­mer eine land– und forst­wirt­schaft­li­che Erwerbs­tä­tig­keit fort­set­zen wollen
  • Unter­stüt­zung der Tätig­keit von Ein­rich­tun­gen und Ver­ei­ni­gun­gen, soweit sie sich oben genann­ten Maß­nah­men widmen
  • Gut­ach­ten zu erstellen
  • Ergän­zende arbeits­markt­be­zo­gene Auf­klä­rung und Unter­stüt­zung zu leisten
  • Die Maß­nah­men des Qua­li­fi­zie­rungs­fonds wur­den durch Bei­träge der Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer finanziert.

Die kon­kre­ten Maß­nah­men wur­den vor allem in den fünf neu­en Bun­des­län­dern durch­ge­führt und damit wur­de der enor­me Struk­turum­bruch in der Land­wirt­schaft bei der Umstel­lung auf markt­wirt­schaft­li­che Bedin­gun­gen in die­sen Regio­nen beglei­tet. Vor­stand sowie Mit­glie­der­ver­samm­lung waren pari­tä­tisch besetzt.

Wie radi­kal der gesell­schaft­li­che Umbruch mit der Umstel­lung auf die Markt­wirt­schaft vor allem in der Land­wirt­schaft in den neu­en Bun­des­län­dern ver­lief, zeigt beson­ders der Arbeitsplatzabbau.

Extre­mer Arbeitsplatzabbau

Wie radi­kal der gesell­schaft­li­che Umbruch mit der Umstel­lung auf  die Markt­wirt­schaft vor allem in der Land­wirt­schaft in den neu­en Bun­des­län­dern ver­lief, zeigt beson­ders der Arbeits­platz­ab­bau. Waren 1990 z.B. in Sach­sen-Anhalt noch rund 180.000 Arbeits­kräf­te in der Land­wirt­schaft beschäf­tigt, waren es 1997 nur noch 25.000, davon 1.300 nur vor­über­ge­hend. Der Rück­gang war fast aus­schließ­lich durch die Abnah­me der Beschäf­tig­ten in Genos­sen­schaf­ten und GmbH (ehe­ma­li­ge VEG) bedingt.

Quel­le: Pres­se­mit­tei­lung 132/1997, Hal­le 15.12.1997 – Sta­tis­ti­sches Lan­des­amt Sachsen-Anhalt

Tarifvertrag zur Qualifizierung der Arbeitnehmer aus der Land- und Forstwirtschaft

Da die­se Ent­wick­lung in allen fünf neu­en Bun­des­län­dern ana­log ver­lief, waren Maß­nah­men der Wei­ter­bil­dung, Umschu­lung und Vor­be­rei­tung zur Zufüh­rung von Arbeits­kräf­ten in den zwei­ten Arbeits­markt vor allem von gro­ßer sozia­ler Bedeutung.
Dabei hat­te der „Tarif­ver­trag zur Qua­li­fi­zie­rung der Arbeit­neh­mer aus der Land- und Forst­wirt­schaft und über Maß­nah­men zur Erschlie­ßung und Siche­rung wett­be­werbs­fä­hi­ger Voll- oder Teil­zeit­ar­beits­plät­ze der Land- und Forst­wirt­schaft vom 07.11.1991“ ein außer­or­dent­li­ches Gewicht.
Durch sei­ne Umset­zung wur­den pro Jahr ca. 5.000 bis 7.000 vom Struk­tur­wan­del betrof­fe­ne Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mern in Gesell­schaf­ten (ABM-Gesell­schaf­ten) und Pro­jek­ten wei­ter beschäf­tigt und qua­li­fi­ziert bzw. umge­schult, um auf eine neue Tätig­keit im ers­ten Arbeits­markt vor­be­rei­tet zu werden.
Mit der Umset­zung beauf­trag­ten die Tarif­ver­trags­par­tei­en vor allem das für die neu­en Bun­des­län­der instal­lier­te „För­der­werk Land- und Forst­wirt­schaft e.V.“ mit Sitz in Götz bei Ber­lin und sei­nen Regio­nal­bü­ros in den neu­en Bun­des­län­dern. Die­ser Ver­ein war eben­falls pari­tä­tisch mit Ver­tre­tern der Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer besetzt.