Organisationen
Die kurze Geschichte der Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst (GNLF) der DDR
Bearbeitet von Christian KochPolitische Wende in der DDR 1989/90
Den auf dieser Website abgedruckten Chroniken (Interessenpolitik/Chroniken) ist die Geschichte der GNLF noch hinzuzufügen. Es ist eine historisch gesehen zwar extrem kurze aber umso dramatischere Entwicklung der Landarbeitergewerkschaft im Rahmen der politischen Wende in der DDR. Ende 1989 und im Verlaufe des Jahres 1990 wurde auf demokratischen Wege der Zentralvorstand der Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst der DDR abgewählt und ein Arbeitssekretariat bereitete den Neuaufbau der Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst nach den demokratischen Prinzipien der alten Bundesländer vor.
“Aufbruch zum Übergang”
Es entstand innerhalb eines halben Jahres eine neue, auf Konferenzen in Kreisen und Bezirken sowie Landeskonferenzen demokratisch aufgebaute Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst (GLNF), die sich schon im Frühjahr 1990 – gerade ein Viertel Jahr alt – ersten Bewährungsproben stellen musste.
Im Namen der 600.000 Mitglieder der Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst der DDR hatte sich die damalige neu gewählte Vorsitzende des Zentralvorstandes, Kollegin Marianne Sandig, an die Präsidentin der Volkskammer der DDR, Frau Dr. Bergmann-Pohl und den Ministerpräsidenten, Herrn de Maiziere gewandt und die gegenwärtig komplizierte Situation im Bereich der Land, Nahrungsgüter und Forstwirtschaft geschildert und Grundsatzforderungen übergeben. Neben einer Großdemonstration am 26. April 1990 in Berlin, die ein Gespräch zwischen dem damaligen Minister der Land- und Forstwirtschaft und der Vorsitzenden der GLNF zur Folge hatte, wurden in den Regionen verschiedenste Aktionen vorbereitet und durchgeführt.
Forderungen der neuen GLNF
In Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion forderten die Kolleginnen und Kollegen die Erhaltung und kurzfristige Schaffung neuer Arbeitsplätze auf der Grundlage ökonomisch und ökologisch erforderlicher Strukturveränderungen in der Land., Forst. und Nahrungsgüterwirtschaft und sie forderten die Erarbeitung eines langfristigen Arbeitsbeschaffungsprogramms und einer klaren Konzeption für die Umschulung und Wiedereingliederung zeitweilig freigesetzter Beschäftigter sowie die befristete Bereitstellung staatlicher Unterstützung und Fördermittel für die Umstellungsphase der Betriebe und Einrichtungen auf marktwirtschaftliche und EG-Bedingungen.
Öffentlichkeitsaktionen
Zur Unterstützung der Verhandlungen in Berlin beschlossen die Gewerkschafter in den Bezirken der damaligen DDR, mit verschiedenen Aktionen die Verhandlungen zu unterstützen. In Sachsen-Anhalt berieten die Verantwortlichen über die Möglichkeit, durch Sperrung der Grenzübergänge zur Bundesrepublik Deutschland Aufmerksamkeit zu erregen und mit Nachdruck ihre Forderungen an die Regierung der DDR öffentlich zu machen. Mit hoher Motivation und großer Bereitschaft in den damaligen Arbeitskollektiven, vor allem der volkseigenen Güter, der Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe und der Kreisbetriebe für Landtechnik wurden mehrere Fernverkehrsstraßen, die nach Niedersachsen führten, in den Plan einbezogen. Hauptaktionsort war dann der Grenzübergang Marienborn und die Transitautobahn Berlin-Hannover. So wurde in einer „Nacht- und Nebelaktion“ die Transitautobahn Berlin-Hannover mit Fahrzeugen der volkseigenen Güter und von Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieben sowie Kreisbetrieben für Landtechnik in Höhe der Autobahnauffahrt Marienborn gesperrt und es kam in der Folge zu Konfrontationen mit der Volkspolizei. Auf den Plakaten der demonstrierenden Landarbeiter waren u.a. Forderungen nach Anhebung der durchschnittlichen Nettolöhne um 50 % mit der Einführung der Währungsunion, der volle Lohnausgleich für die zu erwartende Preisentwicklung, die Einführung der 40-h-Woche, die Schaffung einer Arbeitslosenversicherung sowie die Festschreibung eines Kündigungsschutzes bei langjähriger Betriebszugehörigkeit zu lesen.
Forderung nach Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsgesetz
Eine weitere zentrale Forderung war die schnellst mögliche Verabschiedung eines Betriebsverfassungs‑, Mitbestimmungs- und Tarifvertragsgesetzes in der DDR.
Diese Autobahnaktion hatte damals erheblich dazu beigetragen, Selbstvertrauen für die junge grüne Gewerkschaft in Sachsen-Anhalt zu entwickeln und organisatorische Erfahrungen für künftige Aktionen zu sammeln. Ähnliche Aktionen fanden auch in Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern statt.
Weg zur Einheit
In diesem Zeitraum hatten die „grünen“ Gewerkschaften der beiden deutschen Staaten GGLF und GLNF einen Kooperationsvertrag unterschrieben und im April 1990 beschloss dann der GGLF Hauptvorstand die Einrichtung eines gemeinsamen Ausschusses zur Vorbereitung einer gesamtdeutschen DGB Gewerkschaft und am 22. September 1990 fand im brandenburgischen Bogensee der erste außerordentliche Gewerkschaftstag der GGLF statt, gleichzeitig entschied sich die Zentrale Delegiertenkonferenz der GLNF zur Auflösung ihrer Organisation und empfahl den ehemaligen Mitgliedern aus der Land- und Forstwirtschaft den Beitritt zur GGLF. Daran schloss sich dann die gemeinsame Arbeitskonferenz am 23. September zur Konstituierung der GGLF für das gesamte Bundesgebiet an.