Tarife / Tarifverträge

Wichtige Veränderungen auf arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Gebiet nach 1918

Bear­bei­tet von Chris­ti­an Koch

Im Ergeb­nis der Revo­lu­ti­on vom Novem­ber 1918 hat­ten sich fol­gen­de Macht­ver­hält­nis­se her­aus­ge­bil­det. Inner­halb der alten herr­schen­den Klas­se war bei Adel und Jun­ker­tum eine Schwä­chung ihrer Posi­ti­on ein­ge­tre­ten, wäh­rend die indus­tri­el­le Bour­geoi­sie eine gewis­se Stär­kung ver­zeich­nen konn­te. Stich­wor­te dafür sind: Sturz der kon­sti­tu­tio­nel­len Mon­ar­chie, Besei­ti­gung der Fürs­ten­herr­schaft in den Län­dern, Errich­tung einer bür­ger­lich-par­la­men­ta­ri­schen Republik“.

Quel­le: „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jahr­hun­derts bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 152

Verordnung über Tarifverträge vom 23.12.1918

Die Inkraft­set­zung der Ver­ord­nung über Tarif­ver­trä­ge usw. vom 23.12.1918 und der vor­läu­fi­gen Land­ar­bei­ter­ord­nung vom 24.01.1919 bedeu­te­te frei­lich nicht, daß es sofort und über­all zum Abschluss von Tarif­ver­trä­gen auch wirk­lich gekom­men wäre. Noch 1923 wur­de von offi­ziö­ser Sei­te fest­ge­stellt: „Es gibt wei­te Tei­le des Rei­ches, in denen die Arbeit­ge­ber ledig­lich ein­sei­tig Richt­li­ni­en für Arbeits­be­din­gun­gen fest­le­gen, den Abschluss von ech­ten Tarif­ver­trä­gen aber ableh­nen. In ande­ren Fäl­len wer­den Tarif­ver­trä­ge ver­meint­lich geschlos­sen, sind es aber nicht, weil z.B. dem am Ver­trag betei­lig­ten Arbeit­neh­mer­ver­band die Tarif­fä­hig­keit fehlt. […] So bestan­den Ein­zel­ar­beits­ver­trä­ge also auch wei­ter­hin fort. Aber für die­sen Fall hat­te der Gesetz­ge­ber eben­falls ver­bind­li­che Richt­li­ni­en erlas­sen. So bestimm­te § 2 VLO, (vor­läu­fi­ge Land­ar­beits­ord­nung, d. Ver­fas­ser) daß in sol­chen Betrie­ben, in denen kein Tarif­ver­trag bestand, die ein­zel­nen Dienst­ver­trä­ge, sofern sie eine Lauf­zeit von mehr als einem hal­ben Jahr aus­wie­sen und sofern dar­in Bezü­ge nicht barer Art, also Depu­tat­leis­tun­gen, gere­gelt wur­den, schrift­lich abzu­schlie­ßen sind.“

Quel­le: Aus „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Ber­lin, 1986. S. 153

Allgemeinverbindlichkeitserklärung ab 1918

Eine wei­te­re Mög­lich­keit, zu einer inhalt­li­chen arbeits­recht­li­chen Rege­lung für ein grö­ße­res Gebiet zu gelan­gen, bot der § 2 in Ver­bin­dung mit dem § 3 der Ver­ord­nung über Tarif­ver­trä­ge usw. vom 23.12.1918. Dort war fest­ge­legt, daß „Tarif­ver­trä­ge, die für die Gestal­tung der Arbeits­be­din­gun­gen des Berufs­krei­ses in dem Tarif­ge­biet über­wie­gend Bedeu­tung erlangt haben, für all­ge­mein ver­bind­lich“ erklärt wer­den konn­ten“ (§2); „Sie sind dann inner­halb ihres räum­li­chen Gel­tungs­be­rei­ches für Arbeits­ver­trä­ge, die nach der Art der Arbeit unter den Tarif­ver­trag fal­len, auch dann ver­bind­lich […] wenn der Arbeit­ge­ber oder der Arbeit­neh­mer oder bei­de an dem Tarif­ver­trag nicht betei­ligt sind“ (§2). Die­se All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung konn­te vom Reichs­ar­beits­amt (spä­ter von der Tarif­ab­tei­lung der Reichs­ar­beits­ver­wal­tung) aber nur auf Antrag aus­ge­spro­chen wer­den; „antrags­be­rech­tigt sind jede Ver­trags­par­tei des Tarif­ver­tra­ges sowie Ver­ei­ni­gun­gen von Arbeit­ge­bern oder Arbeit­neh­mern, deren Mit­glie­der durch die Erklä­rung des Reichs­ar­beits­am­tes betrof­fen wer­den wür­den (§3).“

Kollektiver Arbeitsvertrag

Mit den Tarif­ver­trä­gen wur­de erst­mals in der Geschich­te der Land­ar­beit der kol­lek­ti­ve Arbeits­ver­trag ein­ge­führt; Ein­zel­dienst­ver­trä­ge hat­ten sich sei­nem Inhalt anzu­pas­sen oder wur­den durch ihn gar ersetzt. Ein sol­cher Tarif­ab­schluss war dann für alle Knech­te, alle Depu­tat­land­ar­bei­ter, alle weib­li­chen Frei­ar­bei­ter usw. inner­halb des Gel­tungs­be­rei­ches des betref­fen­den Ver­trags, also inner­halb des soge­nann­ten Lohn- oder Tarif­be­zirks, ver­bind­lich. Von Bedeu­tung war dabei, das auch die nicht­be­triebs­in­te­grier­ten Land­ar­bei­ter von den tarif­li­chen Rege­lun­gen erfasst wurden.“

Quel­le: „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 153–154

Tarifvertrag 1921

Tarifvertrag-1921

Quel­le:“ Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 275ff

Streik für höhere Löhne

Die Mit­tel zur Durch­set­zung der sich aus den Arbeits­ver­trä­gen bzw. Tarif­ver­trä­gen erge­ben­den Rech­te der Arbeit­neh­mer wur­den – trotz der Fort­schrit­te, die die Ver­ord­nung über die Tarif­ver­trä­ge von 1918 brach­te — wei­ter­hin mas­siv eingeschränkt.

Neben den zivil­recht­li­chen Fol­gen ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens, ins­be­son­de­re der Scha­den­er­satz­pflicht, wird die Siche­rung der Erfül­lung des land­wirt­schaft­li­chen Arbeits­ver­tra­ges viel­fach auch durch lan­des­recht­li­che Zwangs- und Straf­be­stim­mun­gen angestrebt. […]“

Strafen bei Streik

Abge­se­hen von den Gesin­de­ord­nun­gen ist in einer Rei­he von Bun­des­staa­ten die straf­recht­li­che Ver­fol­gung von Ver­trags­ver­let­zun­gen sei­tens der Land­ar­bei­ter auch noch durch beson­de­re Geset­ze ange­ord­net worden. […]
So bestimmt das anhal­ti­ni­sche Gesetz vom 16. April 1899 im § 1: „Land­wirt­schaft­li­che Arbei­ter, wel­che wider­recht­lich den Antritt der Arbeit ver­wei­gern oder die Arbeit ver­las­sen, wer­den mit Geld­stra­fe bis zu 30 M. oder mit Haft bis 10 Tagen bestraft.“ Das anhal­ti­ni­sche Gesetz lässt aber, wei­ter­ge­hend wie das preu­ßi­sche und das braun­schwei­gi­sche, auch die zwangs­wei­se Zufüh­rung aller land­wirt­schaft­li­chen Arbei­ter durch die Poli­zei zu. Außer­dem bedro­hen sowohl das anhal­ti­ni­sche wie das braun­schwei­gi­sche Gesetz die Ver­lei­tung zur wider­recht­li­chen Arbeits­ver­wei­ge­rung mit Stra­fe; in die­sem Fal­le haf­tet der Ver­lei­ten­de auch für den Scha­den­er­satz neben dem Arbei­ter als Gesamtschuldner.“

Koalitionsverbot von 1854 bleibt erhalten

§ 3 des preu­ßi­schen Gesetz von 1854 bestimmt:

Gesin­de […] Dienst­leu­te oder Hand­ar­bei­ter der § 2…c, d bezeich­ne­ten Art, wel­che die Arbeit­ge­ber oder die Obrig­keit zu gewis­sen Hand­lun­gen oder Zuge­ständ­nis­sen dadurch zu bestim­men suchen, dass sie die Ein­stel­lung der Arbeit oder die Ver­hin­de­rung der­sel­ben bei ein­zel­nen oder meh­re­ren Arbeit­ge­bern ver­ab­re­den, oder zu einer sol­chen Ver­ab­re­dung ande­re auf­for­dern, haben Gefäng­nis­stra­fe bis zu einem Jahr verwirkt.“

Ähn­lich sagt § 6 des anhal­ti­ni­schen Geset­zes von 1899: „Land­wirt­schaft­li­che Arbei­ter, wel­che ihre Arbeit­ge­ber zu gewis­sen Hand­lun­gen oder Zuge­ständ­nis­sen in Bezug auf den bestehen­den Arbeits­ver­trag dadurch zu bestim­men suchen, dass sie die Ein­stel­lung der Arbeit oder die Ver­hin­de­rung der­sel­ben bei ein­zel­nen oder meh­re­ren Arbeit­ge­bern unter­ein­an­der ver­ab­re­den, wer­den mit Gefäng­nis bis zu einem Jahr bestraft. Die Anstif­ter unter­lie­gen der glei­chen Stra­fe, auch wenn sie kei­ne land­wirt­schaft­li­chen Arbeit­neh­mer sind“.

Die­se Koali­sa­ti­ons­ver­bo­te der Land­ar­bei­ter sind durch § 24 Abs. 3 des Ver­eins­ge­setz­tes vom 19. April 1908 aus­drück­lich auf­recht erhalten.“

Quel­le: „Der land­wirt­schaft­li­che Arbeits­ver­trag nach bür­ger­li­chem und Gesin­de­recht von Dr. phil.et. jur. W. Asmis“,
(Son­der­druck aus: land­wirt­schaft­li­che Jahr­bü­cher 1910)Berlin, Ver­lags­buch­hand­lung Paul Parey, 1910, S. 64 — 68

Der-landwirtschaftliche-Arbeitsvertrag

Trotz­dem ergibt die Lite­ra­tur eine Viel­zahl von Bei­spie­len von Arbeits­nie­der­le­gun­gen von Land­ar­bei­te­rin­nen und Land­ar­bei­tern zur Durch­set­zung ihrer Forderungen.

Arbeitsniederlegungen

Schrei­ben von Land­wir­ten an den Herrn Land­rath Neu­hal­dens­le­ben vom 19. Aug. 19:

An den Her­ren Landrath

Neu­hal­dens­le­ben

Alvens­le­ben 19. Aug. 19

(Kr. Neu­hal­dens­le­ben)

Wie Ihnen bereits bekannt sein dürf­te, sind die hie­si­gen land­wirt­schaft­li­chen Arbeit­neh­mer wegen erhöh­ter Lohn­for­de­run­gen für die Frau­en seit ges­tern in den Aus­stand getre­ten. Die Män­ner haben sich dem Streik ange­schlos­sen, um den For­de­run­gen der Frau­en mehr Nach­druck zu ver­lei­hen. Für die­sen Streik fehlt jede Ver­an­las­sung. Die Arbeit­ge­ber haben sich an den gel­ten­den Lohn­ta­rif gehal­ten, sie haben ihn in kei­ner Wei­se über­tre­ten, wie auch von der Gegen­sei­te zuge­ge­ben wird. Wenn die Arbeit­neh­mer trotz­dem und unver­mit­telt in den Aus­stand getre­ten sind, so liegt Con­trakt­bruch vor, der unter den obwal­ten­den Umstän­den nicht scharf genug ver­ur­teilt wer­den kann. Die Strei­ken­den beschränk­ten sich nicht auf die Arbeits­ver­wei­ge­rung, sie hin­dern auch Arbeits­wil­li­ge und pres­sen die ihrem Ver­band Fern­ste­hen­den unter Dro­hun­gen zum Bei­tritt, damit auch sie gezwun­gen wer­den kön­nen zu fei­ern. Hier­durch wird den Arbeit­ge­bern jede Mög­lich­keit genom­men, die Ern­te zu besor­gen. Für die dar­aus  ent­ste­hen­den Fol­gen für unse­re Volks­er­näh­rung leh­nen sie jede Ver­ant­wor­tung ab.

Arbeitgeber bitten Landrat um Hilfe wegen Streik

Die For­de­run­gen der Frau­en sind im Übri­gen unge­recht­fer­tigt und nicht zu bil­li­gen; durch die mit regie­rung­s­ei­ti­ger Unter­stüt­zung erfolg­te Her­ab­set­zung der Lebens­mit­tel­prei­se hat sich der Lebens­un­ter­halt der Leu­te ver­bil­ligt, daß sie bei den jet­zi­gen Lohn­sät­zen und Depu­ta­ten ihr gutes Ein­kom­men fin­den. Wir müs­sen des­halb die gefor­der­te Erhö­hung ableh­nen und möch­ten es Ihrem Ein­fluß über­las­sen, die Arbeit­neh­mer zur Wie­der­auf­nah­me der Arbeit unter den bis­her gül­ti­gen Bedin­gun­gen zu veranlassen.

Zum Schluß möch­ten wir nicht ver­feh­len, Sie auf die inzwi­schen ein­ge­tre­te­ne Ver­schär­fung der Lage (Füt­te­rungs­ver­bot usw.) hin­zu­wei­sen, damit Sie die zur Auf­recht­hal­tung der Ord­nung und Sicher­heit etwa not­wen­dig wer­den­den Anord­nun­gen recht­zei­tig tref­fen können.

Hoch­ach­tend

Otto Bäth­ke                 N.N.                                                                Pfödker (?)

Land­wirt                                                                                             Landwirt“

Quel­le: „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 267

200 Landarbeiterinnen im Streik

Am 13. August 19 unter­rich­tet ein Herr Fischer in einem Bericht über den Streik von Land­ar­bei­te­rin­nen in Schacken­s­le­ben vom 11. August für Lohn­er­hö­hun­gen und um die Abga­be von 4 Zent­ner Brot­ge­trei­de an die Frau­en, die im Haupt­be­trieb in der Land­wirt­schaft beschäf­tigt sind. In einem Bericht des Fuß­gen­dar­me­rie-Wacht­meis­ters Mat­thie­as vom 27. August 1919 wird berich­tet, dass etwa 200 Frau­en in land­wirt­schaft­li­chen Betrie­ben für Lohn­for­de­run­gen von 55 auf 60 Pfg. pro Stun­de in den Streik getre­ten sind.

Quel­le: „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 267/268

Solidaritätsstreik

In einem Tele­gramm des Land­ra­tes des Krei­ses Wol­mir­stedt an den Land­rat des Krei­ses Neu­hal­dens­le­ben vom 31. Mai 1920 wird wie folgt infor­miert: „Land­ar­bei­ter­streik im Kreis Neu­hal­dens­le­ben droht als Sym­pa­thie­streik auf hie­si­gen Kreis über­zu­grei­fen, bit­te drin­gend alles zu tun, um dort die­sen Streik vor­her zu been­den. Bin Mon­tag nachm. 5 Uhr dort.
Neu­hal­dens­le­ben, den 31. Mai 1920“

In einem Pro­to­koll vom 24. Mai 1920 einer Kreis­kon­fe­renz der länd­li­chen Arbeit­neh­mer­ver­tre­ter des Krei­ses Neu­hal­dens­le­ben in Eils­le­ben wird fol­gen­des beschrieben:

Stimm­be­rech­tig­te: 56 Dele­gier­te von 5.876 Mit­glie­dern, auf je Hun­dert Mit­glie­der ein Dele­gier­ter. Fol­gen­de Reso­lu­ti­on wur­de gefaßt;

Unser Antrag 1.: Eine hun­dert­pro­zen­ti­ge Teue­rungs­zu­la­ge zum Stun­den­lohn rück­wir­kend vom 01.04.20

Unser Antrag 2: Zwangs­or­ga­ni­sa­ti­on, in dem Nicht­mit­glie­dern der Ver­trags­par­tei der Stun­den­lohn um 50 Pf. vom Arbeit­ge­ber redu­ziert wird

Unser Antrag 3: Auf­he­bung der Zonen in glei­chen Barlohn

Die Kreis­kon­fe­renz mit 56 Stimm­be­rech­tig­ten ersucht, sofort mit dem Arbeit­ge­ber­ver­ban­de des Krei­ses Neu­hal­dens­le­ben zu ver­han­deln über die gestell­ten Forderungen.
Soll­te bis abends 7 Uhr am 25.05.20 kei­ne Eini­gung zustan­de kom­men auf die gestell­ten For­de­run­gen, so erklä­ren wir hier­mit durch Abstim­mung von 51 Stim­men für mit 5 Stim­men gegen den Gene­ral­streik, wel­cher dann am 26.05.20 früh 6 Uhr in Kraft tre­ten wird. Soll­te bis 28.05.20 abends 7 Uhr noch kei­ne Eini­gung zwi­schen den Par­tei­en zustan­de gekom­men sein, so tritt am 29.05.20 früh 06.oo Uhr der ver­schärf­te Streik ein.

Als Ver­tre­ter unter­zeich­ne­ten von der Kreis­kon­fe­renz (fol­gen Namen)

Eis­le­ben, 28.05.1920“

Quel­le: „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 269

Wei­ter­hin lie­gen Quel­len vor über Streiks in Nord­ger­mers­le­ben ein­schließ­lich des Rit­ter­guts und der Domä­ne Tun­ders­le­ben sowie Berich­te des Land- und Forst­wirt­schaft­li­chen Arbeit­ge­ber­ver­ban­des des Krei­ses Neu­hal­dens­le­ben an das Land­rats­amt vom 22.10.23 zu wei­te­ren Streiks in der Region.

Quel­le: „Die werk­tä­ti­ge Dorf­be­völ­ke­rung in der Mag­de­bur­ger Bör­de, Stu­di­en zum dörf­li­chen All­tag von Beginn des 20. Jh. bis zum Anfang der 60iger Jah­re“, Aka­de­mie-Ver­lag Berlin,1986. S. 287ff

Billige” Wanderarbeiter

Weil man „[…] ihre Arbeits­kraft brauch­te und weil sie bil­li­ger und anspruchs­lo­ser als die ein­hei­mi­schen Arbei­ter waren […]“, wur­den Wan­der­ar­bei­ter ange­wor­ben und in die Mag­de­bur­ger Bör­de geholt.
„1893 mel­de­te die ört­li­che Pres­se, dass inner­halb von 24 Stun­den über 5.000 pol­ni­sche und schle­si­sche Wan­der­ar­bei­ter den Bahn­hof Mag­de­burg pas­siert hät­ten. 1898 schätz­te man die Zahl der Sach­sen­gän­ger auf ins­ge­samt 18.000, ein Jahr spä­ter schon auf 60.000 […] Teil­wei­se kam ein immer gleich­blei­ben­der Stamm von Wan­der­ar­bei­tern in die jewei­li­gen Dör­fer zurück. Man­che ver­hei­ra­te­ten sich auch und wur­den in der Gegend ansässig.“

Ein Zeitzeuge berichtet

Hans Leh­nert aus Win­nin­gen, 81 Jah­re; sag­te dazu: „Wäh­rend der begin­nen­den Indus­tria­li­sie­rung durch den Zucker­rü­ben­an­bau war eine Fami­lie Brau­ne Domä­nen­päch­ter des Klos­ter­gu­tes Win­nin­gen – über drei Gene­ra­tio­nen hin­weg. Win­nin­gen hat in die­ser Zeit durch­schnitt­lich 1.000 Ein­woh­ner und ca. 130 Sai­son­ar­bei­ter, meist jun­ge Frau­en aus Ober­schle­si­en. Die Arbei­te­rin­nen wur­den von Brau­ne selbst in Ober­schle­si­en gewor­ben. Brau­nes behan­del­ten die Sai­son­ar­bei­ter über­durch­schnitt­lich gut. Da der Stun­den­lohn auf 28,75 Pf. staat­lich fest­ge­setzt war, gaben die Brau­nes zusätz­lich Geschen­ke zu beson­de­ren Anläs­sen an die Sai­son­ar­bei­ter so daß vie­le sich gleich für die nächs­te Sai­son ein­schrei­ben lie­ßen. Die Sai­son­ar­bei­ter waren meist von Anfang März bis Ende Okto­ber des jewei­li­gen Jah­res anwe­send. Etwa 15 Frau­en haben in Win­nin­gen einen deut­schen Mann gehei­ra­tet und sind ansäs­sig gewor­den. Die pol­ni­schen Sai­son­ar­bei­ter waren katho­lisch und gin­gen in das benach­bar­te König­saue in die Kirche.“

Quel­le: Aus „Spu­ren­su­che Wan­der­ar­beit“, Her­aus­ge­ber: För­der­werk Land- und Forst­wirt­schaft S/A e.V., Mag­de­burg im Okto­ber 2006, S.11

Für die Guts­be­sit­zer, Groß­bau­ern und indus­tri­el­len Unter­neh­mer waren die Wan­der­ar­bei­ter als „Sach­sen­gän­ger“ mit ihren gerin­gen Ansprü­chen will­kom­me­ne Aus­beu­tungs­ob­jek­te. Ihre Tages­lohn­sät­ze waren zumeist nied­ri­ger als die der ein­hei­mi­schen Arbei­ter, vor allem weil sie nur wäh­rend der Arbeits­sai­son da waren und Lohn erhiel­ten. Auch die Bau­kos­ten für ihre Unter­künf­te waren für die Guts­be­sit­zer wesent­lich gerin­ger, da sie nicht für das Woh­nen im Win­ter gebaut wur­den. So ent­stan­den den Guts­be­sit­zern im Jah­res­durch­schnitt bei den Wan­der­ar­bei­tern weit gerin­ge­re Kosten.“

Quel­le: Aus „Spu­ren­su­che Wan­der­ar­beit“, Her­aus­ge­ber: För­der­werk Land- und Forst­wirt­schaft S/A e.V., Mag­de­burg im Okto­ber 2006

Tabelle der Tageslohnsätze von Einheimischen und Wanderarbeitern um 1910

Män­ner

Frau­en und Mädchen

Einheim.Arb.

Wan­der­ar­bei­ter

Ein­heim. Arbeiter

Wan­der­ar­bei­ter

Ern­te übr. Zeit Ern­te übr. Zeit Ern­te übr. Zeit Ern­te übr. Zeit
2,75 M 2,50 M 2,25 M 2,25 M 1,75 M 1,25 M 1,55 M 1,55 M
2,00 M 1,75 M 2,25 M 1,75 M 1,25 M 1,25 M 1,75 M 1,30 M
2,00 M 1,80 M 2,00 M 1,80 M 1,50 M 1,10 M 1,50 M 1,30 M
2,00 M 1,75 M 2,00 M 1,75 M 1,50 M 1,10 M 1,50 M 1,20 M
2,75 M 2,50 M 2,25 M 1,80 M 1,00 M 1,60 M 1,30 M
2,00 M 1,75 M 2,00 M 1,75 M 1,50 M 1,10 M 1,50 M 1,30 M
2,00 M 2,00 M 2,15 M 1,85 M 1,50 M 1,20 M 1,50 M 1,20 M
2,00 M 2,00 M 2,00 M 2,00 M 1,00 M 1,00 M 1,50 M 1,30 M
2,00 M 2,00 M 1,40 M 1,20 M 1,50 M 1,35 M
 
Quel­le: Nicht­weiss, Johan­nes: Die aus­län­di­schen Sai­son­ar­bei­ter in der Land­wirt­schaft der öst­li­chen und mitt­le­ren Gebie­te des Deut­schen Rei­ches, Ber­lin 1959; S. 263

Die Entlohnung der Tagelöhner und der Saisonarbeiter im Gut Schwaneberg 1935

Män­ner 0,26 M/Std.mit Deputat Deputat:2.500 qm Kartoffel-Acker;50 kg Getrei­de monatlich;Freie Wohnung
Män­ner 0,42 M/Std.ohne Deputat
Frau­en 0,18 M/Std.
Jugend­li­che unter18 Jahren 0,18 M/Std.

Die Arbeits­zeit erstreck­te sich im Guts­be­trieb von 06.–18.00 Uhr, wobei eine hal­be Stun­de Früh­stück, eine Stun­de Mit­tag und eine hal­be Stun­de Ves­per gewährt wurde.“

Quel­le: Chro­nik des VEG Pflan­zen­pro­duk­ti­on Schwa­ne­berg; S. 4